Aktuell Deutschland 19. März 2020

Coronavirus: Keine Rechtfertigung für Rassismus!

Mehrere Frauen stehen vor einem Gebäude und demonstrieren, sie halten Schilder mit der Aufschrift "Meine Ethnizität ist kein Virus" und "Zeit für Fakten, nicht für Angst"

Protestaktion der "Asian American Commission" gegen anti-asiatischen Rassismus im Kontext der Corona-Krise am 13. März 2020 in Boston

Mit der weltweiten Verbreitung der Lungenkrankheit Covid-19 häufen sich rassistische und diskriminierende Übergriffe auf Personen, denen eine chinesische Herkunft unterstellt wird. Wir müssen Rassismus und gesellschaftlicher Ausgrenzung jederzeit entgegentreten – auch in Zeiten gesellschaftlicher Krisen wie der Corona-Pandemie.  

Ob in der Arztpraxis, im Supermarkt oder auf der Straße: Seit sich das Coronavirus ausbreitet, gibt es weltweit und auch in Deutschland zahlreiche Fälle von rassistischen Beleidigungen und Diskriminierung gegenüber Menschen, denen eine chinesische oder auch ganz allgemein eine asiatische Herkunft unterstellt wird – auch tätliche Angriffe sind darunter. 

Etliche Betroffene haben ihre Erfahrungen inzwischen öffentlich gemacht und über soziale Medien wie Twitter und Instagram unter dem Hashtag #IchbinkeinVirus geteilt.

Junger Mann mit Brille hält einen Zettel in der Hand mit der Aufschrift "Ich bin kein Virus"

Der Tagesspiegel-Autor Marvin Ku berichtete im Februar 2020 via Instagram über rassistische Beleidigungen (Screenshot)  

 

Sang-Min Do beschrieb auf Instagram, wie er und seine Freunde in Hamburg rassistisch beleidigt und mit den Worten "Corona, Corona" beschimpft wurden. In München wurde eine 45-jährige Frau vor ihrer Wohnungstür mit Desinfektionsmittel angegriffen, der Täter beleidigte sie ebenfalls rassistisch und drohte, ihr den Kopf abschneiden zu wollen.

Andere Reaktionen sind zwar subtiler, aber ebenso diskriminierend: Als der Tagesspiegel-Autor Marvin Ku für eine Recherche mit Mitarbeitenden des Berliner Zoos sprechen wollte, hatten diese Vorbehalte, sich mit ihm zu unterhalten – offenbar aus Angst vor dem Corona-Virus: "Weil ich eben chinesisch aussehe, galt ich für die beiden als Risiko." Hier zeigt sich das rassistische Denken vieler Menschen: Sie halten asiatisch aussehende Menschen in den meisten Fällen für Chines_innen, da in ihrer Wahrnehmung alle Asiat_innen gleich aussehen. Damit ignorieren sie schlichtweg die kulturelle und ethnische Vielfalt eines ganzen Kontinents und stecken Milliarden Menschen in eine Schublade.

Krisenzeiten wie die Coronavirus-Pandemie führen dazu, dass marginalisierte Gruppen noch stärker ausgegrenzt und entmenschlicht werden.

Dr. Liya
Yu
Politikwissenschaftlerin

Wie der MDR im Februar berichtete, verweigerte die Musikshochschule Hanns Eisler in Berlin dem 26-jährigen Juntao Ye und anderen Chines_innen zunächst die Aufnahmeprüfung, weil man restlichen Bewerber_innen die Möglichkeit geben wolle, "an den Zugangsprüfungen ohne Angst vor Ansteckung teilzunehmen". In Essen lehnte eine Arztpraxis die Behandlung einer Patientin mit Erkältungssymptomen ab, weil sie Chinesin sei. Das Verhalten der Musikhochschule und der Arztpraxis ist rassistisch, da sie Chines_innen aufgrund ihrer Herkunft per se unterstellen, krank zu sein – nur weil in der chinesischen Provinz Hubei das Coronavirus erstmals ausbrach. Ob die Studierenden oder die Patientin in den letzten Monaten tatsächlich in Risikogebieten waren, interessierte bei diesen Vorfällen nicht.  

Krisenzeiten wie die Coronavirus-Pandemie führen dazu, dass marginalisierte Gruppen noch stärker ausgegrenzt und entmenschlicht werden, sagt die Politikwissenschaftlerin Dr. Liya Yu . In solchen Ausnahmesituationen könne man in der Gesellschaft oft zwei Reaktionen beobachten: "Entweder verhalten sich Menschen so, als gäbe es die Pandemie nicht oder sie suchen eine Personifizierung der Gefahr, die vom Virus ausgeht". Asiat_innen würden in der Folge für die Krise verantwortlich gemacht, es könne aber auch andere marginalisierte Gruppen wie Geflüchtete oder Menschen mit Behinderung treffen.

Die Vermischung von diffuser Angst mit rassistischen Stereotypen lässt sich auch in den Medien beobachten. So fragte die Bild-Zeitung Anfang Februar, ob man Glückskekse noch essen oder Pakete aus China annehmen könne. Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel zeigte auf dem Titelbild im Februar eine Person in roter Schutzkleidung, komplett vermummt mit Atemmaske und Schutzbrille, dazu der Titel: "Corona-Virus. Made in China. Wenn die Globalisierung zur tödlichen Gefahr wird". Beide Beispiele markieren nicht nur die gesamte chinesische Bevölkerung als Ursache und Verbreiterin des Virus. "Made in China" suggeriert außerdem, dass das Virus in China "hergestellt" und "exportiert" wurde – eine Argumentation, die sich auch in kolonial-rassistischen Verschwörungstheorien wiederfindet.

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Die Corona-Pandemie fördert nicht nur Diskriminierung und altbekannte rassistische Stereotype zutage, sondern sorgt auch für die Einschränkung der Menschenrechte in anderen Bereichen, zum Beispiel beim Recht auf Asyl oder dem Recht auf Gesundheit. Obwohl dies unbeschränkt gilt, kennt auch Liya Yu Fälle von asiatischen Deutschen, die trotz Versicherung, dass sie nicht in China und Wuhan waren, selbst im Januar schon keinen Arzttermin mehr bekamen. 

Liya Yu ist deutsche Staatsbürgerin, in Deutschland aufgewachsen, Deutsch ist ihre Muttersprache. "Für mich, die chinesische Community in Deutschland, sowie andere Asiat_innen, ist es besonders schmerzvoll, wenn wir als das bedrohliche Fremde behandelt werden", sagt sie. Damit meint sie vor allem den Rassismus und das Weggucken bei Autoritätspersonen wie Politiker_innen, aber auch Lehrerkräften, Fachleuten und anderen Verantwortlichen. "All diese Autoritätspersonen müssen jetzt klar Stellung beziehen, Rassismus zurückweisen und deutlich zeigen, dass so etwas nicht sein darf."

Text: Ralf Rebmann

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